Nachdem wir im ersten Teil dieser Reihe gehört haben, wie sich ein Tonbandgerät als Bandecho anhört, wollen wir uns im zweiten Teil den technischen Hintergründen widmen. Es ist hier keine komplette und tiefgehende Übersicht über die Tonbandtechnik zu erwarten. Der Text richtet sich an interessierte Musiker, die sich wie ich etwas mehr mit den technischen Hintergründen des Musikmachens beschäftigen möchten, ohne den Anspruch oder auch die Fähigkeit zu haben, die Technik inhaltlich komplett zu durchdringen.
Ich gehe so weit auf die technischen Hintergründe ein, als dass
- man nach dem Lesen in der Lage ist, geeignete Tonbandgeräte für die Verwendung als Bandecho identifizieren zu können. Denn nicht jedes ist tatsächlich geeignet.
- man eine Idee davon erhält, welche Komponenten und Zustände Einfluss auf „den Sound“ eines Bandechos haben. Denn diese sind vielzählig und sehr individuell, mitunter so unberechenbar, dass keine zwei identischen Geräte denselben Sound liefern.
- man eine Idee dafür bekommt, was genau dahinter steckt, dass man „Tape“ so viele wundersame Eigenschaften für den Sound zuspricht. Und ob man davon etwas halten kann.
- man zuletzt auch eine bestimmte Skepsis gegenüber bestimmten Hypes entwickeln könnte. Was sich gut anhört, ist auch gut. Keine Frage! Aber nicht alles, was alt ist, muss sich zwangsläufig gut anhören. Und schon gar nicht zu jedem Preis!
Der folgende Text ist rein theoriebasiert, einiges muss an dieser Stelle abstrakt bleiben. Ich werde in den nächsten Teilen dieser Reihe aber versuchen, die wichtigsten in diesem Text genannten Einflüsse auf den Sound der Bandechos auch nachzumessen und darzustellen. Wenn es den Sound verändert, dann sollte es auch messbar sein. Die praktische Anwendung auf der Bühne wird in einem weiteren Teil gesondert behandelt.
Also zunächst zur grauen Theorie, wen das nicht anspricht, der kann direkt zum Fazit am Ende springen.
Ein wenig Geschichte
Die Tonbandtechnik ist bereits uralt; ohne auf die in diesem Rahmen nicht wirklich allzu wichtigen Entwicklungsschritte näher einzugehen – bereits in den 40er Jahren stand die Technik für die Tonbandaufzeichnung mehr oder weniger schon genau so, wie sie heute noch verwendet wird.
Selbst der altehrwürdige Les Paul hatte bereits in den 50er Jahren das Tonband nicht nur zum Konservieren seiner Musik verwendet, sondern auch als Gestaltungselement oder in unserem Sprachgebrauch: Effektgerät. Zum einen tat er dies für „Multiplay“, also um sich selbst aufzunehmen und in weiteren Durchläufen noch weitere Spuren und damit Schichten um Schichten zu einem Ein-Mann-Orchester zusammenzusetzen. Aber auch für Echo-Effekte.
Das Tonbandgerät wurde damit zu so etwas wie dem ersten Studio-Effektgerät: Schnell fand man heraus, dass sich Echos leicht erzeugen lassen, wenn man das Band von einem Tonbandgerät in ein zweites einfädelt. Die Aufnahme fand auf dem ersten Gerät statt, die Wiedergabe auf dem zweiten. Je weiter man die Geräte auseinander stellte, desto länger wurde das Signal verzögert. Mischt man Original und Tonbandkopie, so erhält man einen Echo-Effekt.
Von diesem Punkt an bildete das Tonband die Ausgangsbasis für weitere noch heute essentielle Effekte der Kategorie „zeitbasierte Effekte“. Zeitbasiert deshalb, weil einem Ausgangssignal eine Kopie seiner selbst mit einer bestimmten zeitlichen Verzögerung beigemischt wird. Zu diesen „zeitbasierten Effekten“ gehören neben dem Echo: Hall, Flanger und Chorus.
Nachdem sich Tonbandgeräte als Effektgeräte etabliert hatten, gab es schon in den späten 50ern und frühen 60ern eine Reihe von dedizierten Effektgeräten, die viele Komponenten eines vollwertigen Tonbandgerätes hatten, aber komplett auf die zeitbasierten Effekte zugeschnitten waren und nicht mehr auf die ursprüngliche Tonbandaufzeichnung. Diese Effektgeräte waren nicht in erster Linie für Gitarristen, aber sagen wir mal generell für elektrisch verstärkte Instrumente und Gesang. Nicht wenige hatten auch mehrere Eingänge, so dass man Echo und Hall praktisch auf die gesamte Band legen konnte.
Hier sind zu nennen: Klemt Echolette, Dynacord Echocord, WEM Watkins Copicat, Echoplex und noch einige mehr. Andere 60er Jahre Geräte nutzten das Grundprinzip auch in völlig anderer Bauweise, so zum Beispiel das Binson Echorec, in dem statt eines Tonbands eine magnetisierbare Metallscheibe rotierte – nicht unähnlich wie in einer klassischen Festplatte.
Diese alten Bandeffekte hatten aber tatsächlich auch keine Tonbandspulen eingebaut, sondern Endlos-Tonbandschleifen unterschiedlicher Länge (Echolette z.B. 51 cm).
Im Uhrzeigersinn von oben lins: WEM Watkins Copicat, Roland RE-201, Klemt Echolette NG51, Dynacord Echocord, Dynacord Echlotte SE 251, unbekanntes Gerät |
Bis in die frühen 90er wurden noch neue Geräte gebaut, z.B. Roland RE-201 oder WEM Watkins Copycat. Am Grundprinzip änderte sich nicht viel, an den „Innereien“ so einiges: Aus Röhren wurden Transistoren, wurden ICs; Punkt-zu-Punkt Verdrahtung wich der Platinenbauweise. Danach kam aber der endgültige Siegeszug der digitalen Echo-/ Halleffektgeräte, so verschwand auch das Magnetband schlussendlich aus diesen Effektgeräten. Es gibt heute wenige Ausnahmen aus dem – so würde ich das jedenfalls kategorisieren – „Boutique Bereich“ – oft auch zu „Boutique Preisen“. So z.B. das Fulltone Tube Tape Echo (> 1200 € gebraucht).
Zwischen den 60ern und 80ern kamen sicher nur wenige Künstler auf die Idee, statt dem Tape-Effektgerät einfach ein HiFi-Tonbandgerät mit auf die Bühne zu nehmen. Ein bekanntes Beispiel ist aber Ritchie Blackmore.
Ritchie und sein AIWA TP 1011 (aus dem Booklet der RAINBOW Platte „On Stage“). |
Da Tape-Echos und HiFi-Tonbandgeräte im Grunde dieselbe Technik verwenden und vor dem Hintergrund, wie teuer die alten Bandechos heute sind und wenn es denn unbedingt ein Tape-Echo sein soll – es lohnt sich sicherlich, dann mal in Richtung Tonbandgerät zu schauen anstatt zum „Kellergold“ der alten und neuen Tape-Effektgeräte. Denn teuer gehandelt werden die Echoletten, Copicats und Co. allemal! „Goldcage“ Echoletten gibt es selten unter 600 €, Copicats manchmal schon ab 350 € (modellabhängig) aber aus meinen Beobachtungen auf Reverb und EBay muss man für tatsächlich geprüfte und funktionierende Geräte im Mittel schon eher so um die 500 € auf den Tisch legen. Je weniger Röhre drin ist und je mehr das Baujahr Richtung 80er tendiert, desto günstiger kann man in der Regel an sein Schätzchen gelangen (in gewisser Weise ist die Vintage-Gemeinde manchmal sehr vorausahnbar 😁). Grandiose Schnapper außer der Reihe sind nicht auszuschließen, werden aber immer seltener. Das Internet macht es jedem noch so unbedarften Verkäufer einfach, Vergleichspreise zu recherchieren und in der Regel findet sich irgendwann immer jemand, der nahezu jeden Preis bezahlen wird.
Defekte Geräte zu kaufen ist sicher erstmal günstig, aber dann sollte man schon sehr genau wissen, was an Ersatzteilen benötigt wird und wie man so ein Gerät reparieren kann. Ansonsten kann das ein Fass ohne Boden werden!
Bei geeigneten Tonbandgeräten bewegen wir uns dagegen durchaus in einer Preisspanne von unter 200 €, also eine ganz andere Hausnummer; hier sind sogar eher noch „Garagenfunde“ und Sonderangebote zu erwarten. Auch größenmäßig sind die Tape-Effektgeräte nicht weniger klobig als ein Tonbandgerät. Das gibt sich nichts.
Das Tonbandgerät wirkt im Vergleich zu manchem Bandecho fast zierlicher. |
Im Internet gibt es nicht viele und aus meiner Sicht gar keine detaillierten Anleitungen, wie man ein Tonbandgerät genau als Gitarren-Effektgerät verwendet. Konkret: Was benötigt man genau? Was muss man wie anschließen? Wo kann es klemmen? Was passiert da genau?
Hier möchte dieser Beitrag eine Lücke füllen. Fangen wir zunächst mit einigen Hintergründen zur Technik an.
Technik der Tonbandgeräte
Auf dem folgenden Schaubild sind die wichtigsten Baugruppen eines Tonbandgerätes abgebildet. An ihm werden wir uns bei der Technikbetrachtung entlangbewegen.
Schaubild Tonbandgerät-Komponenten |
Eingang / Eingangsverstärker
Auf den ersten Blick mag das trivial erscheinen, aber die Frage stellt sich ganz zu Beginn, wo man denn eine Gitarre an ein Tonbandgerät anschließt. Vermeintlich noch trivialer: E-Gitarren sind nunmal dafür gebaut, dass sie an einen Gitarrenverstärker angeschlossen werden und nicht an den Eingangsverstärker eines Tonbandgerätes.
Gitarrenverstärker haben einen hochohmigen Eingang, in der Regel (aber nicht zwangsweise) 1 Megaohm (MΩ). Dies hat seine Gründe: Bei Gitarrentonabnehmern war es Anno Zusemal ein Konstruktionskriterium, dass eine Spannung in einer gewissen Größenordnung erreicht wird. Es musste ein Signal in einer gewissen Größenordnung vorliegen, damit die Gitarrenverstärker überhaupt etwas zum Verstärken hatten (weil natürlich das Eingangssignal nicht wirklich verstärkt wird, sondern nur als Modulationssignal für die Verstärkerschaltung dient, hier werden wie bei allen Schaltungen Mindestspannungen benötigt).
Deshalb haben sich hochohmige Tonabnehmer durchgesetzt, denn nach dem Ohmschen Gesetzt liegt bei einem höheren Widerstand auch eine höhere Spannung vor. Hochohmige Tonabnehmer haben aber das Problem, dass ein Signal mit so hoher Impedanz schnell an Höhen verliert. Wenn die Eingangsimpedanz des nachfolgenden Gitarrenverstärkers zu niedrig ist, wird die Gitarrenschaltung stärker belastet, die Höhen werden stärker bedämpft.
Hierzu ein Exkurs in wenigen Sätzen:
Wenn man sich den Frequenzgang eines Tonabnehmers ansieht, also eine Grafik darüber, welche Frequenzen er wie gut / wie laut wiedergeben kann, dann hat dies eine charakteristische Form.
Beispielhafte Darstellung Resonanzüberhöhung Tonabnehmer |
In einem bestimmten Frequenzbereich ergibt sich ein deutlicher „Buckel“ (Resonanzüberhöhung). Frequenzen in diesem Bereich gibt der Tonabnehmer besonders gut wieder, sie treten in den Vordergrund und bilden den „Charakter“ des Tonabnehmers. Wo genau sich dieser Buckel im Frequenzspektrum befindet und wie ausgeprägt er ist, hängt zum einen vom Tonabnehmer selbst ab (Bauweise, Wicklungen, Induktivität, usw.), aber auch von den Potentiometern in der Schaltung, ihrem ohmschen Widerstand, der Kapazität der Kondensatoren in der Tonblende, dem Gitarrenkabel (v.a. von dessen Kapazität und deshalb in erster Linie seiner Länge) und dem Eingangswiderstand des Verstärkers.
Alle diese Komponenten bilden einen „Schwingkreis“, das heißt, sie beeinflussen sich sich gegenseitig. Bei besonders schlechter Abstimmung der Komponenten aufeinander kann es schlimmstenfalls dazu führen, dass der „Buckel“ ganz abgeflacht wird.
Beispielhafte Darstellung Resonanzüberhöhung Tonabnehmer |
Im oberen Bild wurde nur der Eingangswiderstand des Verstärkers in der Schaltung verändert (1 MΩ bis 50 kΩ).
Eine zu niedrige Eingangsimpedanz kann ungünstigerweise dafür sorgen, dass der Gitarrensound sehr leblos, leise, flach klingt und nicht mehr als wohlklingend empfunden wird.
Vielleicht ist das für den ein oder anderen kein Problem, denn gut ist, was gefällt. Man sollte nur im Hinterkopf behalten, dass es diese Zusammenhänge gibt: Die Art des Eingangs verhält sich bei starken Fehlanpassungen wie ein Frequenzfilter, der den Ton hörbar verändert.
Deshalb stellt sich zuallererst die Frage: Sind die Eingänge am Tonbandgerät niederohmig oder hochohmig? Genaueres weiß im Zweifelsfall das Handbuch zum Tonbandgerät.
Am Beispiel meines AKAI 4000-DS:
Handbuch AKAI 4000 DS; Abschnitt INPUTS |
Wie man sieht, hat der Mikrofoneingang eine Eingangsimpedanz von 5 kΩ und ist damit mittelohmig, der Line-Eingang hat dagegen eine Impedanz von 150 kΩ und ist somit hochohmig. Daraus ergibt sich, dass der Line-Eingang grundsätzlich besser für den Anschluss der Gitarre geeignet ist als der Mikrofoneingang. 150 kΩ sind immer noch zu wenig, was deutlich Höhen rauben wird.
Interessanterweise steht hier beim DIN-Eingang (5-poliger DIN-Stecker) keine Eingangsimpedanz. Mir fehlt hier das Hintergrundwissen, aber so wie man im Internet nachlesen kann, hatten diese DIN-Eingänge eine Eingangsimpedanz von bis zu 1 MΩ, weil man hier auch Plattenspieler mit hochohmigen Tonabnehmern anschließen können sollte. Das hört sich bezüglich hochohmiger Gitarrentonabnehmer natürlich genau richtig an.
Versuch macht hier sicher klug – im Zweifel ausprobieren, was sich für die eigenen Ohren gut anhört, ist sicher nie falsch.
Ein weiterer interessanter Gesichtspunkt aus dem Handbuch ist die Empfindlichkeit der Eingänge. Der Mikrofoneingang benötigt eine Spannung von mindestens 0,8 mV, der Line-Eingang wenigstens 70 mV. Das lässt in der Umkehrung Schlüsse zu, dass der Mikrofoneingang von einem starken Gitarrensignal deutlich früher in die Verzerrung (Clipping) getrieben wird als der Line-Eingang.
Der Mikro-Eingang drängt sich meist regelrecht auf, da er in den meisten Fällen als Klinkeneingang ausgelegt ist, was natürlich perfekt zum Gitarrenkabel passt. Aber darüber hinaus passt es leider in der Regel gar nicht.
Es ist auch hier wieder eine Frage des gewünschten Gestaltungselements, aber vermutlich möchte man eher kein Clipping des Eingangsverstärkers beim Bandecho haben. Deswegen spricht auch beim AKAI erst einmal nicht so viel für die Nutzung des Mikrofoneingangs.
Da die Eingangsimpedanzen der verschiedenen Eingänge am Tonbandgerät (außer DIN) für Gitarre nicht absolut ideal sind, sollte man stattdessen den Einsatz eines Impedanzwandlers in Betracht ziehen, der aus dem hochohmigen Gitarrensignal ein niederohmiges macht. Diese Impedanzwandler (Buffer) finden sich heute standardmäßig in einer Menge von Gitarreneffektgeräten, so beispielsweise auch im BOSS LS-2 (Line Selector).
Dieser hat eine Eingangsimpedanz von 1MΩ und eine Ausgangsimpedanz von 1 kΩ. Zudem hat er Potis, um den Pegel zu regeln, womit man das Signal entsprechend abschwächen kann, um die Eingänge nicht zu übersteuern.
Abschließend eine kurze Betrachtung der Anschlusskabel. Unter Umständen finden sich drei Anschlusstypen an einem HiFi-Tonbandgerät: Klinkenstecker für die Mikrofoneingänge und – wenn vorhanden die Kopfhörerausgänge. Für die Line-Ein- und Ausgänge Cinch und für DIN-Ein- und Ausgänge eben DIN-Stecker. Besonders letztere gibt es in einigen unterschiedlichen Varianten, am häufigsten trifft man drei- und fünfpolige an.
Für Cinch auf Klinke und auch beispielsweise von kleiner auf große Klinke gibt es leicht beziehbar Adapter oder fertige Kabel.
Von DIN auf Klinke gibt es hingegen nur von wenigen Lieferanten fertige Kabel zu entsprechend höheren Preisen. Auch ist hier auf den genauen Typ des benötigten DIN-Steckers und eventuell dessen genaue Belegung anhand der Buchse am Tonbandgerät zu achten.
Wer selber löten kann, ist klar im Vorteil, geeignetes Gitarrenkabel oder auch einfache Diodenleitungen sind als günstige Meterware im Handel erhältlich , ebenso Cinch-, Klinken- und DIN-Stecker zum Anlöten.
Da das für ein Gitarrensetup benötigte Signal in der Regel Mono sein wird, sind ggf. weitere Überlegungen beim Selbstkonfektionieren von Kabeln notwendig. Beispielsweise kann davon ausgegangen werden, dass fünfpolige Buchsen am Tonbandgerät Stereo belegt sind. Wenn man nur ein Mono-Signal braucht und z.B. auch der Klinkenstecker am anderen Ende nur Mono ist, dann muss man überlegen, welche Pins des Steckers genau belegt sein müssen. Solche Fragen kann man in letzter Instanz mit dem Schaltplan des jeweiligen Tonbandgerätes klären.
„Band“ als Aufnahmedium
Tonbandgeräte sind HiFi-Geräte. Anders als bei Gitarrenverstärkern oder Effektgeräten wird hier nicht auf die Klangformung abgezielt. Neutrale oder anders gesagt originalgetreue Wiedergabe ist hier das Ziel. Musik soll auf dem Tonband so aufgezeichnet und später auch wiedergegeben werden, wie sie zum Zeitpunkt der Aufnahme tatsächlich vorlag.
Dies hört sich erst einmal logisch an, stellt beim Tonbandgerät aber gleichzeitig eine gewisse Hürde dar. Denn Magnetband als Aufnahmemedium ist nicht-linear. Es können nicht alle Frequenzen gleich laut auf Band aufgezeichnet werden und nicht jede Lautstärkeänderung ist auf Band umsetzbar. Tonband stellt somit aufgrund physikalischer Limitierungen des Aufnahmeträgers so eine Art Equalizer für die aufgenommenen Signale dar.
Bei einem HiFi-Gerät möchte man so etwas wie gesagt eher vermeiden, deshalb gibt es in Tonbandgeräten einige Komponenten, die diese Probleme zu neutralisieren versuchen. Diese machen das Tonbandgerät gleichzeitig zu einem komplexen Gegenstand, der regelmäßiger Wartung bedarf.
Ich erwähne das nur deshalb, da man ohne Böswilligkeit davon ausgehen kann, dass die meisten Tonbandgeräte, die man auf dem Gebrauchtmarkt findet, sicherlich schon seit Jahren keine Wartung mehr gesehen haben. Auch bei meinem gebraucht gekauften AKAI 4000 DS ist der Wartungszustand desaströs, wie man auf den noch folgenden Bildern erkennen kann.
Wenn man das Tonbandgerät nicht als HiFi-Gerät verwenden möchte, sondern als Gitarreneffektgerät einzusetzen plant, muss dies aber ausnahmsweise kein Schaden sein. Hier schadet eine interessante Klangformung unter Umständen nicht – erlaubt ist wieder, was sich gut anhört: In Klangexperimenten und in eher verspielten Musikrichtungen können LowFi-Effekte aufgrund verschmutzter Tonköpfe, Höhenverluste / Equalizer-Effekte durchaus reizvoll sein. Als Hörbeispiel lege ich den Song „Space Age Love Song“ von der Band „A Flock Of Seagulls“ ans Herz. Hier benutzt der Gitarrist ein Bandecho und in der Bridge hört man ziemlich sicher Gleichlaufprobleme (ein leichtes Leiern), die dem Song aber genau den interessanten Sound geben.
Schauen wir uns also die technischen Limitierungen genauer an, um die Themen auf dem Schirm zu haben. Die Aufzählung ist nicht vollständig, es gibt andere limitierende Effekte, die aus meiner Sicht hier aber tiefer in die Materie gehen als es für den gedachten Verwendungszweck notwendig ist.
Entzerrung
Sowohl am Eingang als auch am Ausgang gibt es sogenannte „Entzerrer“. Hiermit ist nicht gemeint, dass dort ein „verzerrter“ Sound wieder zu einem Clean-Sound gemacht wird. Unter „Verzerrung“ versteht man vielmehr, dass aufgrund physikalischer Eigenschaften des Aufnahmegerätes und des Aufnahmemediums das Klangbild durch einen ungleichmäßigen Frequenzgang verfälscht wird. Der Entzerrer dient also der „Gleichmäßigermachung“ des Frequenzgangs des Tonbandgerätes.
Die Möglichkeit, ein Tonband auszusteuern, ist stark frequenzabhängig, nicht jede Dynamikänderung lässt sich so wie sie ist auf Band aufnehmen. Die Aussteuerbarkeit wird bei höheren Pegeln und bei höheren Frequenzen immer geringer. Wenn man den Pegel der Höhen im Quellsignal erhöht, geschieht das nicht automatisch auch bei der Wiedergabe nach der Bandaufzeichnung. Laute, höher frequente Transienten überleben Bandaufnahmen sogar oft gar nicht.
Dieses Verhalten wird unter anderem beeinflusst von der Zusammensetzung der magnetisierbaren Schicht des Tonbandes (unterschiedliche Bandtypen) und von der Laufgeschwindigkeit des Bandes.
Um die Limitierungen des an sich nicht-linearen Frequenzgangs abzuschwächen, senkt der Aufnahme-Entzerrer nach einem genormten Verfahren die Tiefen ab und hebt die Höhen an (Prä-Emphase). Genormt sein muss dieses Verfahren, da sich eine Tonbandaufnahme natürlich auf unterschiedlichen Tonbandgeräten gleich anhören sollte.
Der Wiedergabe-Entzerrer hebt die abgesenkten Tiefen um den gleichen Faktor, zu dem sie zuvor abgesenkt wurden, wieder an. Die Höhen werden ebenfalls um den gleichen Faktor wieder abgesenkt (De-Emphase). Durch diesen „Trick“ wird der nicht-lineare Frequenzgang des Bandes ein Stück weit linearer gemacht. Die Musik lässt sich aufzeichnen und wiedergeben „so wie sie tatsächlich ist“.
Aufgrund dieser Entzerrung gibt es an vielen Tonbandgeräten Knöpfe dieser Art:
Wahlschalter für die Entzerrung am AKAI 4000 DS |
Hier lassen sich zwei Parameter der Entzerrung, die verwendete Bandgeschwindigkeit und der Bandtyp auswählen. Die Entzerrung wird anhand dieser Auswahl parametrisiert. Die Umschaltung zwischen 7 1/2 Zoll/s (engl. inch per second / ips) und 3 3/4 Zoll/s regelt also nicht die Bandlaufgeschwindigkeit (interessant für die Echozeit, siehe weiter unten), sondern schaltet nur die korrekte Entzerrung für eine der möglichen Bandlaufgeschwindigkeiten des Gerätes!
Vormagnetisierung
Die Löschung des Bandes erfolgt vor der Aufnahme durch ein hochfrequentes Magnetfeld. Die Hochfrequenz (HF) wird in einem HF-Generator erzeugt. Sie bleibt aufgrund von Selbstlösch-Effekten nicht lange auf dem Band und befindet sich ohnehin außerhalb des hörbaren Bereiches (> 20 kHz).
Interessant ist nun aber, dass diese Hochfrequenz auch dem aufzunehmenden Audiosignal beigemischt wird. Warum? Zum einen wurde eher zufällig in den 40er Jahren entdeckt, dass dies den Rauschabstand deutlich verbessert (die „Signal-to-Noise-Ratio“). Das Verhältnis von Bandrauschen zu Nutzsignal ist deutlich besser, was die Qualität der Aufnahme drastisch erhöht.
Der zweite Grund für eine HF-Vormagentisierung hört sich zunächst auch wieder trivial an:
Wenn Töne auf Magnetband aufgezeichnet werden, wird das variierende elektrische Signal (Wechselstrom, sich ändernde Frequenzen und Spannungen) an einen Elektromagneten weitergeleitet (Aufnahmekopf). Dieser erzeugt daraus ein genauso variierendes Magnetfeld, das seine Markierungen auf dem sich unter dem Aufnahmekopf entlangbewegenden Band hinterlässt.
Magnetisierte Bereiche auf einem Tonband, stark vergrößerter Bereich aus einem kleinen Bandabschnitt (dargestellt mit dem „3M Magnetic Tape Viewer“; hier in Falschfarben zur besseren Sichtbarkeit) |
Dieses Band ist ein mehrschichtiges Kunststoffband, auf das eine magnetisierbare Schicht aufgebracht wurde (z.B. Eisenoxid). Dieses Band läuft im minimalsten Abstand an den Tonköpfen entlang.
Ziel der Tonbandaufnahme ist es, eine „remanente“ Magnetisierung auf dem Band zu hinterlassen, also eine Magnetisierung, die erhalten bleibt, nachdem das Magnetfeld im Aufnahmekopf keine Wirkung mehr auf das Band ausübt. Da das Band ja durchaus schnell unter dem Aufnahmekopf vorbei läuft, muss die Remanenz in einem kurzen Zeitfenster erreicht werden. Die Musik soll danach auch nach einem Jahr oder sehr viel länger noch auf dem Band sein, selbst wenn es so lange im Schrank lag.
Diese Magnetisierung folgt wie bei allen magnetisierbaren Werkstoffen einer bestimmten Kennlinie, der Hysterese-Kurve, die spezifisch für den einzelnen Werkstoff ist. Um Remanenz zu erhalten, ist es notwenig, dass ein spezifischer „Arbeitspunkt“ auf der Hysterese-Kurve erreicht wird, dies wird durch den Grad der Vormagnetisierung gesteuert.
Diese Vormagnetisierung ist mit der Gittervorspannung bei Röhrenverstärkern vergleichbar, beides wird auch „Bias“ genannt.
Der Arbeitspunkt liegt bei jedem Bandtyp anders, deshalb ist jedes Tonbandgerät auf einen bestimmten Bandtyp eingemessen. Ein Wechsel des Bandtyps ohne Anpassung der Bias Einstellungen hat deshalb Auswirkungen auf die Qualität der Tonaufzeichnung.
Bei der Vormagnetisierung wird dem eigentlichen „Nutzsignal“, also dem Audiosignal, im Aufnahmekopf nun der hochfrequente Wechselstrom aus dem HF-Generator überlagert. Dessen Frequenz muss laut Theorie mindestens doppelt so hoch sein wie die höchste Signalfrequenz des Nutzsignals. Genaueres weiß wieder das Handbuch:
AKAI 4000 DS: HF-Frequenz der Vormagnetisierung |
[Aus: Wolfgang Junghans: Tonbandgerätepraxis, 12. Auflage, Franzis, München 1976. S.19] |
Die Vormagnetisierung dient also dazu, dass die Magnetisierung des Bandes dauerhaft bleibt und eine originalgetreue Aufnahme der Musik möglich ist. Zudem sorgt die Vormagnetisierung für eine gute „Signal to Noise-Ratio“, der Ruhegeräuschabstand ist sehr gut (wenig Bandrauschen). Für die Verwendung als Bandecho ist ersteres nicht von Belang, ein möglichst rauschfreies Signal wäre aber sicherlich wünschenswert.
Bandsättigung
Der nächste typische Effekt von Band ist derjenige, der vermutlich am oftesten genannt wird, wenn es um den besonderen Klangcharakter von Band geht, die sogenannte Bandsättigung.
Wenn wir uns einen kleinen Abschnitt eines Tonbandes ansehen, dann befinden sich auf diesem Abschnitt Band nur eine endliche Menge magnetisierbarer Partikel. Deshalb ist auf einem Teilabschnitt Band auch nur ein begrenztes magnetisches Potential zu erreichen. Ist dieses ausgeschöpft, dann ist das Band „gesättigt“. Lauter geht irgendwann nicht mehr. Wird das Eingangssignal dennoch lauter, dann passiert etwas ganz charakteristisches.
So sieht ein Sinussignal von ca. 440 Hz aus, gemessen am Eingang des Tonbandgerätes:
Erhöht man nun die Spannung, also die Lautstärke, dann kommt der Eingangsvorverstärker irgendwann an den Punkt, dass er verzerrt. Dies macht sich erst als leichte Kappung der Spitzen bemerkbar, diese werden abgeschnitten („Clipping“):
Erhöht man die Lautstärke immer weiter, dann sieht das Sinussignal irgendwann so aus:
Der Sinus ist zu einem Rechtecksignal verzerrt worden.
Ich habe nun die Aufnahme gestartet und habe genau dieses Signal über die Hinterbandkontrolle vom Wiedergabekopf her gemessen. Hier sah es so aus:
Man sieht, dass die aufgezeichnete Spannung und damit die Lautstärke geringer geworden ist. Dadurch, dass das Band einfach in die Sättigung läuft, ist das Clipping des Signals aber viel weicher. Die Pegelspitzen werden nicht hart abgeschnitten, sondern sie werden „weich“ abgeschwächt. Man sieht vom Band kein hartes Rechtecksignal, sondern nur einen „sehr entstellten“ Sinus. Dieses „Soft clipping“ wird offenbar als „musikalischer“ wahrgenommen:
Der Effekt der Bandsättigung ist so beliebt, dass es sogar in ansonsten volldigitalen Studios High-End-Zubehör gibt, das eine Bandschlaufe und einen Schreib-/Lesekopf enthält. Musik wird hier durchgeschleift und dann wieder digital aufgezeichnet.
Jede Verzerrung, auch eine solche der oben dargestellten Art, erzeugt künstliche Obertöne, die den Klang pegel- und frequenzabhängig anreichern.
Die Prämisse der Band-Fans ist es, dass durch Übersteuerung auf Band und durch die ganz spezielle Weise, wie Band Übersteuerungen handhabt, auf ganz spezifische Weise Obertöne im Frequenzspektrum entstehen. Die Anreicherung mit Obertönen ist praktisch das Salz in der Suppe von Röhrenverstärkern oder Effektgeräten (Tube Screamer!) – also ist dies ein sehr interessanter Punkt, wenn er denn zutrifft.
Stellt sich nur die Frage: Kann man mit dem blanken Gitarrensignal diese Übersteuerungen überhaupt erreichen? Nach meinem Verständnis müsste es so eingerichtet werden, dass nicht der Eingangsverstärker übersteuert, sondern erst das Band sättigt. Ansonsten wäre der Frequenzgang bereits von der Verzerrung des Vorverstärkers „eingefärbt“ – wie sollte man da dessen Spezifika und die von Bandeffekten auseinanderhalten? Lässt sich das alles nachmessen, darstellen und vergleichen? Ich werde im nächsten Tell dieser Reihe hier gezielt Versuche und Messungen anstellen.
Sonstiges
Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass höhere Bandlaufgeschwindigkeiten mit Blick darauf natürlich für bessere Aufnahmen sorgen, weil in einem Zeitraum X einfach mehr Band unter dem Aufnahmekopf vorbeiläuft. Es stehen im selben Zeitraum mehr magnetisierbare Partikel zur Verfügung.
Langsame Geschwindigkeit bedeutet, dass das magnetische Potential eines Bandabschnitts schneller ausgeschöpft ist, weil viel mehr darauf aufgezeichnet wird. Darunter leidet die Qualität.
Gerade alte Bänder haben zudem das Problem, dass sich die Eisenoxidschicht ablöst. Man sieht dies als Abrieb an Rollen und Köpfen. Weniger Restmaterial auf dem Band sorgt somit auch für ein geringeres Magnetisierungspotential. Der Abrieb an den Köpfen stört zudem die Arbeit der Köpfe, weil das Band nicht mehr ganz eng an ihnen vorbeilaufen kann. Das Reinigen der Köpfe gehört deshalb zu den regelmäßigen Wartungsarbeiten bei allen Geräten, die Tonbandtechnik nutzen. Man liest auch immer wieder, dass die Köpfe regelmäßig zu entmagnetisieren sind. Im Tonstudio wurde dies sicher regelmäßig gemacht, es würde mich aber wundern, wenn ein Tonband-Heimanwender sich jemals eine Entmagnetisierdrossel zugelegt hätte. Vielleicht kann ein Leser hier von eigenen Erfahrungen berichten?
Die Tonköpfe
Kommen wir nun zu den Bauteilen, die wir indirekt schon genannt haben und die so etwas wie die „harten Fakten“ darstellen bei der Auswahl eines geeigneten Tonbandgerätes für den Einsatz als Bandecho.
Es ist darauf zu achten, dass ein Tonbandgerät mit mindestens drei Köpfen benötigt wird:
Der Aufnahmekopf überträgt Audiosignale als Magnetisierung auf das Band. Der Wiedergabekopf erzeugt aus den an ihm vorbeigleitenden Magnetfeldern vom Band wieder eine Spannung, also wieder ein Audiosignal. Der Löschkopf entmagnetisiert das Band durch ein sehr starkes Hochfrequenz-Magentfeld.
Sehen wir uns diese drei Köpfe beim AKAI 4000-DS an:
Unter der Tonkopfabdeckung finden sich – die Tonköpfe |
Der kleinere schwarze Klotz ganz links ist der Löschkopf, in der Mitte findet sich der Aufnahmekopf (Sprechkopf), rechts daneben der Wiedergabekopf (Hörkopf).
Es existieren Geräte, die nur zwei Köpfe haben: Einen Löschkopf und einen Kombikopf für Aufnahme und Wiedergabe. Diese Geräte sind nicht geeignet. Warum?
Mit einem separaten Wiedergabekopf ist eine sogenannte Hinterbandkontrolle möglich, das bedeutet, dass man unmittelbar abhören kann, was vom Aufnahmekopf einige Sekundenbruchteile zuvor aufgezeichnet wurde. Die Hinterbandkontrolle schaltet man ein, indem man beim AKAI auf „Monitor“ > „Tape“ umschaltet. Damit wird das Signal vom Wiedergabekopf (vom Band) auf die Ausgänge gelegt.
Umschaltung zwischen Vorband- und Hinterbandkontrolle (Tape) |
Dies würde für einen einfachen Echoeffekt bereits ausreichen. Wenn man das Signal von der Hinterbandkontrolle über ein Mischpult mit dem Original-Gitarrensignal mischt, würde man ein Echo hören. Dieser Echo-Effekt alleine wäre aber ziemlich unflexibel, er ähnelt einem Slapback-Echo.
Die Echozeit dieses einfachen Effektes hängt von zwei Parameter ab:
- Dem räumlichen Abstand von Aufnahme- und Wiedergabekopf
- Der Bandgeschwindigkeit
Der Aufnahmekopf zeichnet das Signal auf, dann läuft das Band ein Stück weiter, bis es im Wiedergabekopf wieder ein Audiosignal induziert / abgespielt wird.
Sind Aufnahme- und Wiedergabekopf also beispielsweise 5 cm auseinander und das Band läuft mit 19 cm/s (7 1/2 ips), dann haben wir ein Echo von rund 0,26 Sekunden. Läuft das Band hingegen mit 9,5 cm/s (3 3/4 ips), dann ergibt sich eine Echozeit von ca. 0,52 s.
Es kann also nur ein Echo geben, wenn Aufnahme- und Wiedergabekopf einen räumlichen Abstand voneinander haben.
Bandantrieb
Wie läuft das Band aber nun genau? Es gibt hier einige verschiedene Antriebsmodelle, zudem können unterschiedliche Tonbandgeräte eine unterschiedliche Anzahl von Motoren haben.
Das AKAI 4000 DS hat nur einen Motor, der eine Welle antreibt, den sogenannten Capstan. Diese Welle ist oft aufgeraut, damit sie das Band ohne Schlupf fest mitnehmen kann. Das Band wird um dies zu unterstützen mittels einer Gummirolle gegen den Capstan gepresst. Die beiden Wickelteller, auf die die Tonbandspulen aufgesteckt sind, wickeln das Band von der linken Spule ab und auf die rechte auf. Die Wickelteller werden ebenfalls von diesem einen Motor mit angetrieben, andere Tonbandgeräte haben eigene Motoren für die Wickelteller, deren Geschwindigkeiten untereinander natürlich abgestimmt sein müssen.
Die Capstan-Welle und die Andruckrolle, zwischen denen das Band entlangläuft. Beide mit Abrieb verunreinigt. |
Es wäre für unterschiedliche Echo-Zeiten natürlich genial, wenn man die Geschwindigkeit des Motors stufenlos regulieren könnte, am besten noch über ein Pedal oder ein Poti oder ähnliches. Das wird man sich bei den meisten Tonbandgeräten aber wohl aus dem Kopf schlagen müssen, es ist leider komplizierter.
Eine gleichbleibende Drehzahl ist äußerst wichtig, jeder kennt noch die leiernden Bänder beim Kinderkassettenrekorder – wiederum bei einem HiFi-Gerät undenkbar. Deshalb muss es etwas geben, das die Drehzahl reguliert, beziehungsweise vorgibt. Auch hier gibt es wiederum verschiedene Bauweisen, weit verbreitet und auch beim AKAI 4000 DS eingesetzt sind die sogenannten Synchronmotoren / Drehfeldmotoren.
In diesem Motor wird ein Antriebsrotor, der dauermagnetisiert ist, von einem sich drehenden Magnetfeld in dem ihn umgebenden Stator mitgenommen. Die Drehgeschwindigkeit dieses Magnetfeldes ist direkt mit der Frequenz der Netzspannung verknüpft. Diese Frequenz beträgt in unseren Breiten 50 Hz und dies dauerhaft ziemlich konstant. Die Frequenz der Netzspannung ist also der Taktgeber für die Motordrehzahl, eine separate Drehzahlmessung entfällt damit bei dieser Art Antrieb, aber auch eine etwaige gewollte Manipulation der Drehzahl um die Echozeiten anzupassen.
In anderen Weltgegenden beträgt die Netzfrequenz übrigens 60 Hz. Die japanischen Geräte zumindest waren aber auf eine Umschaltung zwischen 50 und 60 Hz schon ab Werk ausgelegt. Wenn man an einem Tonbandgerät also einen Umschalter zwischen 50 und 60 Hz entdeckt, weiß man, dass die Bandgeschwindigkeit nicht durch eine Regelung der Stromzufuhr oder etwas in der Art zu erreichen ist.
AKAI 4000 DS; Vorwahlschalter Netzfrequenz |
Stattdessen haben viele Tonbandgeräte einen Schalter, über den mit anderen technischen Mitteln zwischen zwei oder mehreren Bandgeschwindigkeiten umgeschaltet werden kann.
Gängige Bandgeschwindigkeiten sind:
- 2,4 cm/s
- 2,75 cm/s
- 9,5 cm/s (dies ist quasi der Standard im Heimbereich gewesen)
- 19 cm/s
Beim AKAI 4000 DS ist es leider erneut viel komplizierter und noch eine Spur unpraktischer: Man kann hier zwischen 9,5 und 19 cm/s „umschalten“, indem man den Durchmesser der Capstanwelle ändert. Hierzu wurden eine Hülse und eine zugehörige Mutter mitgeliefert. Um die höhere Geschwindigkeit zu nutzen, konnte man die Hülse auf den Capstan stecken und mit der Rändelmutter arretieren. Aufbewahrt wurden Hülse und Mutter auf einem Pfosten oberhalb der Tonkopfabdeckung.
Auf diesem Pfosten sollte die Hülse sitzen… |
Wie bei so vielem, das irgendwo aufbewahrt werden muss, geht es gerne mal verloren. So auch bei meinem Gerät. Also sitze ich auf 9,5 cm/s fest, zumindest so lange ich keine gebrauchte Hülse finde.
Bei manchen Bandechos hat man das Thema übrigens anders gelöst. Es gibt hier mehrere Wiedergabeköpfe oder einen beweglichen:
Vier Wiedergabeköpfe in unterschiedlichen Abständen (Watkins Copicat) |
Beweglicher Kopf auf einer Schiene. Der Kopf ließ sich über einen Schieberegler verschieben,… |
…der direkt vorne durchs Gehäuse rausragte (Dynacord Echocord verschiedene Modelle) |
Wie auch immer: Selbst bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten hat man erstmal nur ein einfaches Echo. Das ist unter Umständen etwas langweilig und nicht sehr gut auf ein bestimmtes Lied anpassbar.
In der Regel setzt man Tonbandgeräte als Bandechos deshalb etwas anders ein. Die Idee, das Ganze etwas nutzbarer zu machen ist nun, dass man das Echo nimmt und es zum Aufnahmekopf zurückführt, so dass es dort mit dem Echtzeit-Gitarrensignal noch einmal aufgenommen wird.
Man hat jetzt nicht nur ein Echo gehört, sondern zwei. Im nächsten Durchlauf wird das Echo noch einmal zurückgeführt, wieder aufgenommen und abgespielt, man hat dann insgesamt drei Mal gehört und so weiter und so fort. Begrenzt wird die ständige Wiederholung des Echos nur dadurch, dass das Signal bei jeder Aufnahme schwächer wird (jede Kopie ist bei Bandaufnahmen etwas leiser als das Original). Wie viele Echo-Wiederholungen man tatsächlich hört, hängt davon ab, wie laut das erste Echo wieder zum Aufnahmekopf zurückgeführt wurde.
Die Zurückführung erfolgt in der Regel über einen externen Mixer. Diese haben einen Feedback-Regler, über den das Return-Signal vom Effekt wieder in den Send-Kanal zurückgeschickt wird. Mein Mischpult hat das nicht, ich musste mir deshalb etwas anderes ausdenken.
Hier mein Anschlussdiagramm (Erklärung folgt gleich):
Anschlussbeispiel AKAI 4000 DS an einfachem Mischpult |
Auf diese Weise erhält man multiple Echos und nicht mehr nur eines. Dem verwunderten Ohr wird dann plötzlich klar, das sich das ganze nach Hall anhört. Wie kommt das zustande?
Quelle: Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Nachhall |
Im Tonbandgerät wird das erste Echo immerzu wiederholt, es wird dabei immer leiser und zeitliche Verzögerungen sind dabei sowieso vorhanden. Durch Gleichlaufschwierigkeiten können die Echozeiten sich noch leicht verschieben, was den Effekt einer (künstlichen) Raumimpulsantwort noch verstärkt.
Es wird durch die wiederholten Echos auf dem Band also ein künstlicher Hall erzeugt.
Beim AKAI 4000 DS ist diese Rückführung des Echos zum Aufnahmekopf nur so „intern“ zu erreichen, dass man den Line-Ausgang des Aufnahmekanals (Mono) direkt mit dem Line-Eingang des anderen Kanals patched. Dann stellt man die Aufnahme auf Stereo und wählt „S.O.S.“ (Sound on Sound) aus. Dieser Aufnahmemodus ist eine Trickschaltung.
Im Endeffekt werden hierbei die Einzelaufnahmen vom linken und rechten Kanal dadurch auf eine Spur zusammengefasst, also ineinandergemischt. Diese Mischspur wird auf den Ausgang gelegt.
Auch das AIWA TP 1011 von Ritchie Blackmore hatte ebenfalls einen S.O.S Modus, wobei ich nicht weiß, ob unterschiedliche Hersteller immer genau dasselbe unter diesem Begriff gemeint haben.
Auch gibt es Tonbandgeräte, die „Echo“ und „Hall“ bereits als fertige Trickschaltung onboard hatten. Hier musste man keine Kanäle aufeinander patchen, die Verschaltung war komplett intern und konnte über einen Schalter akiviert werden.
Übrigens: Auch bei den Drehfeldmotoren und jedem anders drehzahlgeregelten Tonbandgerät kann es zu einer anderen Art von Gleichlaufproblemen kommen, denn der Motor ist nur eine Sache. Es kann zu mechanischen Problemen bei den Wickeltellern kommen, es kann zu Schlupf wegen losen Andruckrollen kommen, bei alten Geräten können Riemen ausgeleiert sein.
Da ist viel Mechanik im Spiel: Rollen und Riemen, Gummi, das altert. Mechanische Gleichlaufprobleme, die sich je nach konkretem Auslöser in Geschwindigkeitsvariationen in den tieferen Frequenzen (genannt „Wow“) oder den höheren Frequenzen („Flutter“) bemerkbar machen.
Je weniger regelmäßige Wartung erfolgt ist, desto mehr ist mit dem Vorkommen solcher Probleme zu rechnen.
Besonders „Wow“ und „Flutter“ werden heutzutage oft nicht als Problem gesehen, wenn ein Tonbandgerät als Effekt verwendet wird. Sie machen den Klang auf ganz bandspezifische Weise imperfekt, was durchaus als wohlklingend empfunden werden kann. Dies ist neben dem Echo und der Bandsättigung ein weiterer Effekt sui generis, der den Klang aufwerten kann.
Das kann man allerdings nur schwerlich erzwingen – entweder hat ein Gerät diesen Fehler oder nicht. Jemand, der dies gezielt sucht, muss erstmal fündig werden. Ob man ihn über Modifikationen erzwingen könnte, ist fraglich.
Zusammengefasst also die Kriterien für ein geeignetes Tonbandgerät:
- 3 Köpfe; Aufnahme- und Widergabekopf getrennt; Hinterbandkontrolle
Es wird ein externer Mixer oder ein entsprechendes Misch-Pedal benötigt, denn der Echo-/Hall-Effekt stellt sich immer nur als Beimischung zum Originalsignal ein. Wenn man das Tonbandgerät einfach zwischen Gitarre und Verstärker hängen würde, würde nur folgendes passieren: Man schlägt auf der Gitarre einen Ton an, diesen hört man aber nicht, nur das leicht zeitversetzte Echo. Es ist ein großer Spaß, das mal auszuprobieren, aber spielen kann man so nicht und weil es in dem Sinne ja kein Echo gibt, ist das auch sinnlos.
Falls kein Mischpult mit „Feedback“-Regler vorhanden ist, sondern nur ein Send-/Return-Kanal nutzbar ist, dann unbedingt auf folgende Merkmale bei einem Gerät achten:
- Mehrspurgerät / Stereo
- S.O.S oder Trickschaltung „Echo“ / „Hall“ onboard
Nur so sind multiple Echos und der Halleffekt zu erreichen.
Die Ausgänge
Zuletzt kommen wir beim Ausgang an. Denn irgendwo müssen wir mit dem Signal ja hin. Ich schrieb ja schon, dass das Ganze nur als Beimischung zum Gitarrensignal nutzbar ist und ein Mischpult oder Pedal wie das BOSS LS-2 benötigt wird. Aber was man auch benutzt, es muss natürlich mit den Strömen klarkommen, die aus dem Tonband-Ausgang rauskommen.
In der Regel sollte es zwei Ausgänge geben, eventuell sogar drei:
Der Line-Ausgang hat eine Ausgangsspannung von 1,228 Volt, der DIN-Ausgang nur 0,4 Volt. Zum Kopfhörerausgang, der vorhanden ist, findet sich hier nichts. Im Handbuch zum MK II Modell des 4000 DS findet sich ein Wert von 30 mV.
Damit hängt es nun davon ab, wo man das Bandecho anschließen will. Aus dem Line-Ausgang direkt in den Verstärker scheint mir etwas gewagt, da Gitarrenverstärker nicht für Line-Signale ausgelegt sind. Hier wäre der DIN-Ausgang geeigneter.
Echo- oder Halleffekte sind in der Regel aber ohnehin besser im Effektweg des Verstärkers aufgehoben, also zwischen Effect Send und Effect Return. Dies hat natürlich auch nicht jeder Verstärker, wenn er es hat, sollte es dort auch eine Möglichkeit geben, die Pegel anzupassen.
Beispiel Marshall JCM 900: Effektweg mit einstellbarem Pegel |
Die Frage, ob der Effektweg beim Verstärker parallel oder seriell ist, also ob der Effekt dem Originalsignal beigemischt wird oder ob das Signal allein durch den Effekt durchgeschleift wird, ist aus meiner Sicht hier nicht entscheidend, da im weiter oben skizzierten Aufbau das Bandecho ja bereits dem Originalsignal beigemischt wird. Dieses bleibt also immer erhalten.
Fazit
Wir haben gesehen, dass man ein Drei-Kopf-Gerät benötigt und je nach Anwendungsfall auch einen kleinen Mischer. Manche Tonbandgeräte haben bereits eingebaute Trickschaltungen, hier benötigt man ggf. weniger zusätzliches Equipement. Ich möchte keine Werbung für bestimmte Geräte machen, es ist aber natürlich aus allen Ausführungen ersichtlich, dass das AKAI 4000 DS geeignet ist, mir ist bekannt, dass es von UHER ein ROYAL DELUXE gibt, das sogar schon eine Echo Schaltung onboard hatte.
Aber ich denke, wenn man den Sinn versteht, warum man was wo anschließen muss, dann ist es nur eine kleine Transferleistung zu erkennen, wie man das bei unterschiedlichen Tonbandgeräten hinbekommt.
Wir wir gesehen haben, gibt es viele Punkte bei Tonbandgeräten und ihren Anschlussoptionen, die Auswirkungen auf die Klangformung, ihren „Sound“ haben. Einige dieser Parameter sind zudem alters- und verschleißbedingt und damit vollkommen unwägbar. Ich halte es für sehr schwierig, da vorauszuahnen, ob ein Gerät genau den Sound hat, den man sich erhofft. Es ist viel wahrscheinlicher, dass es eher andersherum läuft – man findet ein Gerät, das zufällig den Sound hat, der einem gefällt. Der oft beschworene typische Sound von Tape ist auf der einen Seite eigentlich eine Unzulänglichkeit des Aufnahmemediums. Tape ist ein Equalizer, ein Kompressor, ein Verzerrer. Natürlich macht das etwas mit dem Sound, vieles davon könnte aber bei dem einen oder anderen Gerät genau daher kommen, dass es in gewisser Weise „Defekt“ ist, weil es über die Jahre einfach weit von seinen eigentlichen Arbeitsparametern abgewichen ist.
Im nächsten Teil dieser Reihe sehen wir uns einige der besprochenen Themen sozusagen mit dem Oszilloskop und Audio Analyse-Software an. Denn die in den Raum gestellten wohlklingenden Nebeneffekte von Band sollte man dann doch auch messen können.
Das Thema, wo man das Bandecho anschließt und wie man das so machen kann, dass es auch auf der Bühne sinnvoll nutzbar ist, halte ich für ebenfalls sehr wichtig. Ein Mangel für mich auffindbarer Informationen dazu im Internet hat mich erst auf die Idee zu dieser Reihe gebracht. Im übernächsten Teil sehen und hören wir uns das deshalb noch einmal ganz genau an, welche Anschlußoptionen wir haben und wie man das ganze auf der Bühne nutzen könnte.
Sehr geehrter Herr Frodermann,
durch Zufall bin ich auf Ihre Seite gekommen. Ich bin auf der Suche nach einem Magnetband für mein „uraltes“ Echogerät „Echolette S“, da mein altes gerissen ist.
Das Band müsste eine Länge von 51 cm haben. Wissen Sie, wo man so ein Band noch kaufen kann?
Sehr geehrter Herr Spitko,
diese 51cm Schlaufen sind bei Thomann erhältlich:
https://www.thomann.de/de/echolette_51cm_loop_tape.htm
Die Qualität ist aus meiner Sicht sehr gut.
Mit freundlichen Grüßen,
Tim Frodermann