Es gibt eine kleine Serie von Klemt Echolette Hybridverstärkern, also Verstärkern mit Transistorvorstufe und einer Röhren-Endstufe: B25, B30 und B35.
Anders, als die Nomenklatur suggeriert, sind diese Verstärker aber keine Vorgänger des B40/G40 oder des BS40 aus den frühen 60ern. Der B30 ist vielmehr ein Gerät aus der zweiten Hälfte jenes Jahrzehnts (laut Hans Ohms Baujahr 1965). Ich habe die ersten Fundstellen in Dokumenten in meinem Katalog-Archiv aus dem Jahr 1966, so in der Echolette Preisliste von Juli 1966 und in einem Info-Flyer zum damals neuen B30 ebenfalls aus 1966. Dort heißt es:
Der B 30 ist speziell auf Grund der starken Nachfrage nach einem preisgünstigen Baß- und Gitarrenverstärker konstruiert worden. Mit 30 Watt Sinusaussteuerung und verzerrungsfreien 35 Watt Music-Power, zeichnet sich dieser Verstärker als besonders leistungsstark aus. Neben der Eignung für Baß und Gitarre ist der Anschluß an jedes beliebige hoch- oder niederohmige Mikrophon bei ausgezeichneter Wiedergabequalität gegeben. Der B 30 besitzt zwei Instrumenteneingange, mit getrennter Hoch
Tiefton-Regelung, und als neuestes Entwicklungsergebnis von Echolette eine automatisch erfolgende Präsenzanhebung, d. h. ein Anheben der mittleren Tonlagen, wodurch ein besonderer Klangeffekt erzielt wird. Kombiniert mit sämtlichen Echolette-ET-
Boxen, im Besonderen mit der Box ET 1, ist der B 30 ideal fur die Musiker, die sich noch keine teuere Verstärkeranlage leisten wollen.
Das Thema ist also klar gesetzt, es handelt sich um ein damals preisgünstiges Einsteigermodell. Einen solchen B30 habe ich mir kürzlich auch gekauft, weil gerade einer zu einem vertretbaren Preis auf Ebay angeboten wurde. Was aber viel wichtiger ist: Sein Äußeres sah wirklich einwandfrei aus. Wie bei so vielen Verkaufsanzeigen gab es jedoch keine Bilder vom Inneren. Also wie immer ein gewisses Risiko.
Ein paar Monate nach dem Kauf wollte ich den kleinen Kerl nun mal flott machen und deswegen werfen wir in diesem Artikel einen ersten Blick ins Innere. Hier sind einige Impressionen:
Was auffällt ist, dass das Gehäuse des Verstärkers trapezförmig zusammengeheftet ist, das heißt es wird nach hinten hin schmaler. Netztrafo und Ausgangsübertrager sind an den Seitenwänden befestigt und damit auch leicht angewinkelt zum Inneren des Gerätes angebracht. Ansonsten haben Chassis und Frontplatte denselben Look, wie man ihn auch schon vom Echolette BS40 kennt.
Der Netztrafo trägt eine kleine Zusatzplatine, auf der sich Sicherungshalter befinden. Bei diesem Verstärker ist die Anpassung an 120V oder 220V nämlich nicht über einen Spannungswahlschalter realisiert, sondern man muss die zwei Netzsicherungen je nach vorhandener Netzspannung in ein unterschiedliches Paar von Sicherungshaltern einstecken. Hierüber werden die zwei Wicklungen der Primärseite des Netztrafos jeweils etwas anders zusammengeschaltet.
Im Schaltplan ist dies folgendermaßen dargestellt.
Was auf den ersten Blick vielleicht verwundert, ist die Tatsache, dass für 110V-Betrieb dieselben Sicherungen (0,8 A träge) wie für den 220V-Betrieb empfohlen werden.
Normalerweise kennt man es ja, dass für die 110V-Anwendung eigentlich immer Sicherungen mit dem doppelten Maximalstrom / Nennstrom benötigt werden, weil hier – wie auch im Schaltplan ersichtlich – dann in der Regel zwei Wicklungen des Netztrafos parallel geschaltet sind und damit eben „der doppelte“ Strom durch die Primärseite des Netztrafos fließt.
Das ist in diesem Fall aber leicht erklärt, weil im 110V-Betrieb des B30 beide Wicklungen eine eigene Sicherung haben und nicht alle Wicklungen an derselben Sicherung hängen. Im 220V-Betrieb sind die beiden Sicherungen beim B30 einfach in Serie geschaltet, was elektrisch aber keine Bedeutung hat (es bleibt bei 0,8 A Maximalstrom). Eigentlich eine Verschwendung einer Feinsicherung.
Ich vermute aber, dass die Entwickler des Gerätes hier einfach keine Verwirrung stiften wollten, wie es bei einer Sicherung für 220V-Betrieb und zwei Sicherungen für 110V-Betrieb unweigerlich geschehen wäre. In allen Anwendungsfällen hat man die gleiche Anzahl Sicherungen, die man nur umstecken muss – nicht zu kompliziert.
Das scheint mir auch die einfachste Lösung zu sein in Anbetracht der Tatsache, dass man dann ebenfalls keine Unterscheidung im Werk für Exportgeräte machen musste. Notfalls konnten die Echolette-Vertretungen in den jeweiligen Zielländern die Geräte aus Deutschland für ihren lokalen Absatzmarkt „einstellen“ und die Sicherungen korrekt platzieren.
Was mir bei diesem Gerät natürlich sofort aufgefallen ist, ist dass hier keine EL500 Röhren eingebaut sind, sondern EL504.
Ich musste mich hier auch kurz schlau machen, aber die EL504 ist wohl mehr oder weniger ein 1:1 Ersatz. Offenbar war das gang und gäbe, dass man statt den irgendwann nicht mehr überall verfügbaren EL500 das Nachfolgemodell EL504 eingesetzt hat. Ich meine hier allerdings nicht, dass man dies ab Werk gemacht hat! Das ist wohl eher die pragmatische Lösung eines Vorbesitzers gewesen.
Ich muss ehrlicherweise auch gestehen, dass ich momentan nicht im Bilde bin, ob die Röhren in diesem Gerät tatsächlich ohne Anodenkappen (aus Keramik zum Beispiel) betrieben wurden und dieser Feder-Klemmmechanismus, wie man ihn oben am Anodenkontakt sieht, so ab Werk war.
Von meinem Gefühl her würde ich lieber richtige Anodenkappen einsetzen, das bietet einfach mehr Schutz gegen Berührungen. Es ist im Musikelektronikbereich ja auch nicht mehr so weit verbreitet, dass Röhren eingesetzt werden, bei denen die Betriebsspannung von der Oberseite außen zugeführt wird. Deshalb lieber auf Nummer sicher gehen.
Ich bin allerdings bestrebt, hier wieder EL500 einzusetzen, davon habe ich in meiner Sammlung…na ja, sagen wir mal eine „haushaltsübliche“ Menge.
Wem die EL500 jetzt nichts sagt, der muss sich nicht schämen. Es handelt sich nicht um eine typische Röhre für Musikelektronik, obwohl es einige Verstärker gab, die solche „Fernsehröhren“ in der Endstufe hatten (z.B. EL36).
So vollkommen ungewöhnlich ist es beim B25, B30 oder B35 deshalb also nicht, aber die Röhre fand sich ansonsten doch eher in Fernsehgeräten. Das Philipps-Datenblatt des Modells gibt die folgende Auskunft:
BÜNDELROHRE in Allglastechnik zur Verwendung in der Aus-
gangsstufe fur die Horizontal-Ablenkung in Fernsehemp-
fängern. Die Röhre hat ein hohes Verhältnis zwischen
Anoden- und Schirmgitterstrom und ist mit einem Magnoval-
Sockel ausgestattet.
Nun zu den ersten Überlegungen zur Erweckung des Verstärkers aus seinem Dornröschenschlaf:
Was ich bei einem für mich neuen Verstärker immer erstelle, ist ein Platinenplan. Sofern möglich, hat es sich hier bewährt, ein „Durchsichtbild“ von der Vorder- und Rückseite zu erstellen. Die Unterseite wird dazu gespiegelt und unter das teiltransparente Bild der Oberseite gelegt. Es ist hier meist notwendig, die beiden Einzelbilder etwas hin und her zu ziehen und an einem Raster auszurichten. Das ist mit kostenlosen Grafikprogrammen wie Gimp aber kein Problem. Das Ergebnis ist ein Überlagerungsbild, auf dem man sowohl die Bauteile als auch die Leiterbahnen gleichzeitig sehen kann (siehe unten).
Im Anschluss verfolgt man dann erstmal, welches Bauteil auf der Platine mit welchem Bauteil im Schaltplan übereinstimmt und trägt das auf dem Platinenplan ein. Dies hilft später ungemein beim Auslöten und Tauschen von Bauteilen und auch bei der allgemeinen Fehlersuche, weil man mit Platinenplan und Schaltplan schnell von Messpunkt zu Messpunkt navigieren kann, ohne noch groß zu suchen.
Im Falle dieses B30 sind mir dabei gleich zwei Dinge aufgefallen, die nicht dem Schaltplan des B30 entsprechen. Dazu komme ich aber etwas später.
Was beim B30 ein blödes Problem ist, sind die beiden Netzteil-Becherelkos: Diese haben zwar den vollkommenen Standardwert von 50uF+50uF, den man in Klemt-Geräten wie Sand am Meer findet. Es handelt sich hier aber um Snap-In Kondensatoren für die Platinenmontage. Und die gibt es meines Wissens nach aktuell in dieser konkreten Kapazität und als Doppelelkos nirgendwo zu kaufen.
Sollten die beiden Doppelelkos hinüber sein – wovon man bei einem Alter von fast 60 Jahren ausgehen darf – dann muss man sich was überlegen. Ich bin persönlich weder Fan vom Re-formieren von Elkos noch davon, die alten Becher auszuhöhlen und kleine, moderne Elkos einzusetzen.
Einfach Neuware (dann vermutlich zwei separate Elkos pro Becherelko) in die Platine einzulöten – vielleicht muss auch das nicht sein. Ich habe keine Eile mit dem B30 und werde mir hier nochmal in Ruhe Gedanken machen.
Beim Erstellen des Platinenplans und dem Abgleich der Bauteile mit dem Schaltplan ist mir gleich noch etwas aufgefallen:
Mein B30 hat einen Varistor, um die Hochvolt-Wicklung auf der Sekundärseite des Netztrafos vor Überspannung zu schützen. Laut Schaltplan hatte dies das B30-Modell jedoch nicht, sehr wohl aber der Vorgänger (B25) und der Nachfolger (B35).

Aber das ist bei Klemt durchaus typisch. Wenn man ein „überzähliges“ Bauteil findet, einfach die Schaltpläne früherer oder späterer Modelle zu Rate ziehen. Es gibt immer Mischformen.
Dasselbe Thema habe ich auch an anderer Stelle. Bei meinem B30 hat der Widerstand R2 einen Wert von 680k, laut B30-Schaltplan sollte man hier 1,5M vorfinden. Der R1 entspricht bei meinem B30 ebenfalls dem Wert von 3,3M, der laut Schaltplänen im B25 und B35 verbaut war.

Mit den leicht veränderten Werten von R1 und R2 wäre der Transistor T1 im B30 etwas anders gebiased als beim B25 und B35. Zumindest in meinem B30 entspricht dies aber alles dem Vorgänger und Nachfolger und ich habe nun zumindest zwei Diskrepanzen gegenüber dem Schaltplan.
Das soll es an dieser Stelle einmal gewesen sein mit dem B30, aber we’ll meet again…